Auf Wohnungssuche

Wohnungsnot - damals in Bethlehem: kein Raum in der Herberge. Wohnungsnot – auch heute bei uns. Familien mit Kindern bekommen keine bezahlbare Wohnung mehr, Flüchtlinge werden in Turnhallen untergebracht. Dabei hätten wir heute schon genug Raum in unseren Häusern und Herbergen. Aber an der Verteilung mangelt es. Zum Beispiel wohnen Reiche oft in zu großen Häusern und das eigene Zuhause mit anderen zu teilen oder es zu vermieten, das fällt vielen schwer. Es kostet Zeit und Arbeit und manchmal auch Nerven. Wir wollen unsere Ruhe. Umso bewundernswerter das Engagement von vielen Bürger*innen, die in diesem Jahr ukrainische Flüchtlinge in ihre Wohnungen aufgenommen haben.

Doch da gibt es noch eine andere Raumnot in unserer Welt. Die äußere Raumnot ist für mich ein Symbol für eine viel grundsätzlichere Raumnot in unserem Leben: Kein Raum mehr in unserem Leben und in unserer Seele, kein Raum für Stille und Ruhe, für unsere Sehnsucht, für Trauer und Träume, für Begegnungen und Gott selbst. Und ich glaube, das beides zusammenhängt. Gott sucht immer noch Raum in dieser Welt und zwar bei uns Menschen. Beim Lesen der Mietgesuche, könnte man vielleicht auf so eine Anzeige stoßen:


Messias (neugeboren, friedlich, aus hl. Familie) sucht kleine Kammer, gerne im Herzen von Menschen, mögl. ab 24.12. und unbefristet, Wärme und Licht werden selbst mitgebracht.


Ob diese Anzeige wohl Erfolg hätte? Das Geschrei eines Neugeborenen wäre schon mal sehr abschreckend. Doch irgendwie klingt die Anzeige auch verlockend, denn der neue Mieter sucht eine ungeheizte Wohnung, Wärme und Licht werden da selber mitgebracht. So sucht sich Gott den Raum in seiner Welt – meist bei den Armen, bei den Einfachen, bei denen, die ein offenes Herz haben, die sich auch mal stören lassen und die sich nach Wärme und Licht sehnen.

Und wie ist das bei mir? Lasse ich Gott bei mir einziehen? So als Besucher, der ab und zu vorbeischaut, wäre mir er eigentlich lieber, oder vielleicht noch als eine Art Untermieter, der jeden Morgen freundlich grüßt und mal für mich den Müll rausbringt oder den Kehrdienst macht. Aber Gott richtig einziehen lassen in mein Leben? Auch ich will meine Ruhe haben, will einfach mal zuhause alleine abhängen und mal alles liegen lassen und mich zurückziehen und auch von Gott meine Ruhe haben.

Aber Gott ist eben kein aufdringlicher Mitbewohner, er beherrscht die Kunst der Unsichtbarkeit. Er klopft immer leise an, wenn er in unser Leben tritt – er ist einfach da als geduldiger Zuhörer, wenn wir erschöpft in unsere dunkle Wohnung kommen, er ist da mit seinem Frieden, wenn wir nachts wach liegen und uns die Sorgen hin- und her werfen. Er tanzt mit uns, wenn wir uns freuen und trinkt mit uns eine Tasse Kaffee in der Früh, wenn wir uns auf den Weg zur Arbeit machen. Und er lässt uns auch in Ruhe, wenn wir uns einfach mal verkriechen wollen und von allem genervt sind. So mache ich mir und Euch Mut, Gott einziehen zu lassen in unser Leben, in unseren Alltag und in unsere Seele. Das besondere bei Gott ist: er fühlt sich in einer kalten und unaufgeräumten Wohnung wohl. Und wenn er einzieht, dann wird es nicht voller und enger, sondern dann gewinnen wir neuen Raum im Leben. Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit mit genug Raum - äußerlich und innerlich.

Ihre Pfarrerin Ulrike Lorentz

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